Ein regelmäßiger Bericht über die Umsetzung der ökologischen Grünpflegerichtlinien ist nötig
Die GRÜNEN haben für die Stadtratssitzung am 21.01. 2013 einen Antrag gestellt, wonach alle zwei Jahre ein Bericht über die Umsetzung der „Richtlinien zur ökologischen Pflege und Anlage von Grün- und Freiflächen“ erstellt wird. Zur Begründung gab es zwei Redebeiträge der Fraktion.
Bei der Debatte im Stadtrat spielten auch die massiven Kappungen von Baumkronen am Minigolfplatz eine Rolle. Bürgermeister Burkhard zog sich auf den Standpunkt zurück, es wären schwere Trockenschäden an den Bäumen entstanden und aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht hätte Totholz entfernt und die Kronen gekappt werden müssen. Die Alternative wäre angeblich die Fällung gewesen. Die GRÜNEN kritisieren den Verweis auf Trockenschäden und Sicherheitsgründe als nachgeschobene Ausflüchte und nicht belegte Behauptungen. Nach ihren Recherchen war der Landespfleger der Stadtverwaltung trotz seiner Zuständigkeit in diese Maßnahmen nicht einbezogen und hat erst hinterher davon erfahren.
Die Bäume mit ihrem dichten Kronendach haben den Parkcharakter des Minigolfplatzes geprägt. Dieses Erscheinungsbild ist zerstört. Und das in einem Zentrum der Naherholung. Wie das nach einem Kronenschnitt wuchert, kann man z.B. an der Baumreihe zwischen Parkplatz Wartbergbad und Stadiongaststätte bestaunen. Wenn überhaupt wieder eine annähernd arttypische Krone entwickelt werden kann, dauert das Jahre. Das würde sehr intensive und teure Pflegemaßnahmen erfordern.
Bei zwei ähnlichen Fällen kann das „Argument“ Verkehrssicherheit gar nicht erst bemüht werden. In der Langstraße wurden vier Platanen gekappt und in der Antoniterstraße zwei weitere Bäume. Hier seien im Ausschuss für Bauen und Umwelt reine Gefälligkeitsbeschlüsse für Anwohner gefasst worden. Baumpflege oder Erfordernisse der Verkehrssicherhit hätten keinerlei Rolle gespielt. Die Kappungen gleichen denen beim Minigolfplatz. Nach Beobachtung der GRÜNEN sind solche brachialen Maßnahmen keine Einzelfälle mehr. Auch im privaten Bereich wird diese unakzeptable Methode vermehrt angewandt. Schlechte Beispiele machen Schule …
Die GRÜNEN fordern verwaltungsintern zu regeln, dass Grünpflegemaßnahmen und Rückschnitte ausschließlich durch den Landespfleger angeordnet werden können und von diesem überwacht werden. Auch muss in den Grünpflegerichtlinien und in der künftigen Baumschutzsatzung ein Passus aufgenommen werden, der Kappungen ausschließt. Fachliche Regelwerke wie die „ZTV-Baumpflege – Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für Baumpflege“ müssten beachtet werden. Sollten tatsächlich größere Probleme an Bäumen auftreten, müsste ggf. ein unabhängiger Gutachter konsultiert werden. Auch der Ausschuss für Bauen und Umwelt muss dann einbezogen werden, so die Forderung der GRÜNEN.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stadtratsfraktion Alzey
Redebeitrag in der Ratssitzung am 21.1. 2013
TOP 7 Turnusmäßiger Grünpflegebericht
1) Antrag: Turnusmäßiger Grünpflegebericht
Beschlussvorlage:
Die Verwaltung informiert den Stadtrat alle zwei Jahre über den Stand der Umsetzung der „Richtlinien zur ökologischen Pflege und Anlage von Grün- und Freiflächen“. Der erste Bericht wird dem Stadtrat im September 2013 vorgestellt und in schriftlicher Ausführung vorgelegt. Danach folgen Berichte im September 2015, 2017, 2019 usw.
Begründung:
Am 15.11.2010 teilte die Verwaltung dem Stadtrat mit, dass die von der Stadt bereits 1992 übernommenen Richtlinien zur ökologischen Pflege und Anlage von Grün- und Freiflächen „umgehend und komplett umgesetzt“ werden.
Unsere Fraktion hatte dies beantragt, weil die Richtlinien in der Verwaltung und / oder beim Bauhof keine Beachtung fanden. Immer wieder waren massive unsachgemäße Rückschnitte von Bäumen und Hecken zu beklagen, von der Umwandlung von Rasen- in Wiesenflächen durch reduziertes Mähen fand sich keine Spur.
Trotz der Mitteilungsvorlage vom 15.11.2010 zeichnet sich ab, dass es wieder zu Verstößen kommt. Aktuelle Beispiele sind die radikale Kappung der Platanen in der Langstraße und von zahlreichen Bäumen beim Wartbergstadion. Die 2011 überarbeiteten Richtlinien sehen vor, dass Pflegeschnitte bei Gehölzen auf ein Minimum beschränkt werden. Die Verwaltung und beauftragte Unternehmen sind an diese Richtlinien gebunden. Die Praxis sieht anders aus.
Deshalb ist es nötig die Praxis der städtischen Grünpflege regelmäßig zu thematisieren. Die Verwaltung soll berichten, welche Schritte hin zu naturgemäßeren Grünanlagen unternommen wurden, ob und warum es evtl. zu Verstößen kam.
2) Erster Redebeitrag zur Begründung des Antrages:
1992 hat der Stadtrat die Richtlinien erstmals beschlossen. In 2010 wurden sie aktualisiert und in 2011 erneut verabschiedet. Im November 2010 teilte die Verwaltung dem Stadtrat mit, dass sie, ich zitiere „umgehend und komplett umgesetzt“ werden.
Leider deuten die jüngsten Kappungen der Bäume darauf hin, dass sie wieder, wie schon 1992, Gefahr laufen, nicht beachtet zu werden.
Dabei geht es nicht nur um die Bäume, sondern um das Konzept insgesamt. Der Umgang mit den Bäumen ist aber gravierend und macht den vorherrschenden Stil bei der Grünpflege insgesamt deutlich.
Dabei sollten sie den Unmut in der Bevölkerung nicht unterschätzen. Nach dem Pressebericht haben wir dazu folgende Mail erhalten (Zitat): „Ein herzliches Dankeschön für die Intervention im Stadtrat und den Bericht im Wochenblatt. Diese unprofessionelle Hauruck-Methode beim Beschneiden von Büschen und Bäumen ist nur schwer zu ertragen“ (Zitat Ende). Das geht also nicht nur uns so!
Es kann auch nicht sein, dass der für Grünpflege zuständige Sachbearbeiter von derart gravierenden Eingriffen, wie am Minigolfplatz, erst im Nachhinein und dann noch per Zufall erfährt. Bei ihm müssen die Fäden bei der Grünpflege zusammen laufen. Bei allen Maßnahmen muss er das letzte Wort haben. Da herrschen offenbar hanebüschene Parallelstrukturen vor.
Übrigens gibt es einen weiteren Fall: Am Radweg Richtung Heimersheim wurden Sträucher gepflanzt. Die wurden nun offenbar mit dem Balkenmäher bis auf die Grasnabe abrasiert. Da kann man eigentlich nur noch den Kopf schütteln!
Wir wollen nicht ungerecht sein. Es gibt in Alzey auch positive Beispiele für Naturschutz: Der Hochzeitswald, die Maßnahmen am Sybillenstein oder in Dautenheim, die Sanierung des Dauerstaus, die Aktion Blau mit der Renaturierung der Selz in Alzey Ost. Das ist beachtlich!
Aber was den Umgang mit bestehenden Grünanlagen anbelangt, da hat sich wenig geändert. Da regieren weiterhin Rasenmäher und Kettensäge – in rabiater Art und Weise. Und das steht in krassem Widerspruch zu den RL. Man muss leider feststellen, dass von ihrem Geist in Alzey nicht viel angekommen ist. Papier ist geduldig!
Und das ist – genau genommen – ein Skandal. Mit den Beschlüssen von 92 und 2011 hat der Stadtrat eine klare Willenserklärung abgegeben, wie Grünpflege in Alzey aussehen soll. Stattdessen läuft in der Verwaltung die Alltagsroutine weiter. Wenn das Schule macht, dass Ratsbeschlüsse in der Schublade verschwinden, dann können wir unsere Arbeit hier einstellen.
Wer das Pflegekonzept durchliest, der spürt, dass es hier um Sensibilität geht. Um ein Bewusstsein dafür, dass Grünanlagen, Gärten und Parks Lebensräume sind oder sein könnten. Refugien für Tiere und Pflanzen, die in unserer Agrarlandschaft vom Aussterben bedroht sind. Dabei geht es natürlich vorrangig um Brutvögel und Insekten.
Professor Kuder hat das im Landschaftsplan der Stadt von 1990 deutlich formuliert. Zitat: Die Brutvogelwelt des Alzeyer Raumes ist sehr individuen- und artenarm. Besonders stark dezimiert scheint im Alzeyer Raum neben der Vogelwelt die Insektenfauna, sowie die Amphibienarten“. „Nahezu alle für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge wichtigen Blütenpflanzen wurden verdrängt. Es fehlt innerstädtisches und stadtnahes öffentliches Grün mit Einbindung in die umgebende Landschaft. Die biologische Verarmung der Landschaft schreitet fort“ (Zitat Ende).
Ähnliche Aussagen finden sich im Bericht der Landschaftsarchitekten Schmitz + Wünsch von 1994.
Diese Aussagen machen die Brisanz deutlich!
Es fehlt uns also auch hier nicht an einer guten wissenschaftlichen Analyse; und mit den RL auch nicht an guten Handlungsvorgaben. Aber wir haben – auch hier – eine mangelhafte Umsetzung.
Das hat ja auch die Besichtigung einiger Grünflächen mit Herrn Strickler in 2011 gezeigt. Er kritisiert ja schon lange die Diktatur von Rasenmäher und Kettensäge. Dabei zeigen Untersuchungen, wie wertvoll selbst kleine Flächen, wie z.B. naturbelassenes Straßenbegleitgrün oder Saumbereiche als Nischen, Trittsteine oder Teil einer Biotopvernetzung sein können.
In den RL findet sich oft der Begriff der Sukzession. Das bedeutet, durch allmähliche Rücknahme sog. „Pflegemaßnahmen“, der Natur mehr Raum zu lassen. Dass dies die Abkehr vom Zierrasen bedeutet, sollte jedem klar sein. Dass dies möglicherweise zu Kritik aus der Bevölkerung führt auch. Dies muss man aber aushalten und sich auf die RL berufen. Anstatt, wie in der Langstraße, die Bäume aus Gefälligkeit kappen zu lassen.
Wir können hier nicht hehre Grundsätze beschließen und dann, wenn’s konkret wird, beim kleinsten Windhauch umfallen. Nach dem Motto: War ja nicht so gemeint. Etwas Rückgrat ist – auch hier – erforderlich.
Warum brauchen wir einen Grünpflegebericht?
Die angesprochene Sukzession hin zu natürlichen Grünanlagen ist, wie der Name ja schon sagt, ein längerer Prozess. Dabei sind (Zitat aus den RL) „alle Grünflächen möglichst artenreich zu gestalten. Ziel ist die Schaffung einer typischen und vielfältigen Biotopstruktur“. Und die RL geben hier konkrete Handlungsschritte vor.
Z.B. den: Für Rasen- und Wiesenflächen wird ein Mähplan zugrunde gelegt.
Den gibt es immer noch nicht! Seit 25 Jahren gilt das Pflegekonzept. Wir erwarten, dass dieser Plan spätestens im Zuge der Umstrukturierung des Bauhofs vorgelegt wird. Und dann auch eine deutliche Extensivierung der Pflege vorsieht.
Die RL geben vor, wie Baumscheiben zu gestalten sind. Hier muss durch den Bericht deutlich werden, ob und wo entsprechende Verbesserungen vorgenommen wurden. Und diese müssen kontinuierlich erfolgen.
Anstatt hinterher mit Bruchgefahr und Trockenschäden zu kommen!
In den RL heißt es: Pflegeschnitte bei Gehölzen sind auf ein Minimum zu beschränken. Wurde davon in Einzelfällen abgewichen und warum? Wer hat das angeordnet und ausgeführt?
Weitere Fragen wären z.B. folgende:
Welche Flächen sind als Sukzessionsflächen vorgesehen? Wie entwickeln sie sich?
Wurden Flächen entsiegelt?
Wo wurden Gehölzsäume stehen gelassen?
Wurden Benjeshecken angelegt und wo?
Wurden Kleinbiotope, z.B. Stein- und Reisighaufen angelegt, und wo?
Wurden Bäume und Gehölze gepflanzt, wenn ja, wo und welche?
Konnte durch die Sukzession die Artenvielfalt erhöht werden? Gibt es dafür Indikatoren? Pflanzen und Tiere, die sich auf diesen Flächen ansiedeln konnten?
Die Liste ließe sich fortsetzen.
Übrigens: Was ist mit der Baumschutzsatzung, die der Stadtrat vor vier Jahren in Auftrag gegeben hat? Vor vier Jahren! Wenn es mit den Kahlschlägen so weiter geht, brauchen wir sie bald nicht mehr!
Auch die Grünflächen der Baugesellschaft sollten in den Blick genommen werden. Auch hier wäre eine naturnahe Gestaltung denkbar.
Hier könnte auch die Umwandlung monotoner Rasenflächen in Gemeinschaftsgärten für Mieter erwogen werden. Urban Gardening ist ja mittlerweile in aller Munde.
Hier sollte geprüft werden, ob es Bedarf an Mietergärten etwa in Alzey Ost gibt. Es zeichnet sich ja ab, dass die Flächen für die Interkulturellen Gärten bei weitem nicht ausreichen werden.
Wir geben uns keinen Illusionen hin. Warum sollte nach 25 Jahren der Ignoranz jetzt plötzlich alles viel besser werden. Wir bohren hier ein sehr dickes Brett.
Wir wollen aber nicht mehr, dass die Grünpflege in Alzey ein Eigenleben führt, mit undurchsichtigen Parallelstrukturen und Zuständigkeiten, und dass Beschlüsse des Stadtrats komplett ignoriert werden.
Wenn sich hier nichts ändert, dann müssen die Schwachstellen ermittelt und evtl. auch personelle Konsequenzen gezogen werden.
Deshalb brauchen wir den turnusmäßigen Bericht. Übrigens hält auch der zuständige Sachbearbeiter in der Verwaltung diesen Antrag für sinnvoll.
Wir bitten daher um Zustimmung!
(Jochen Hinkelmann)
2) Zweiter Redebeitrag zur Begründung des Antrages:
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stadtratsfraktion Alzey
Ratssitzung am 21.01. 2013
TOP I/7.1: Grünpflegebericht
Was sind die Folgen von solchen Kappungen? Die Folgen schildert anschaulich Peter Klug, seines Zeichens Dipl.-Forstwirt und ö.b.u.v. Sachverständiger für Baumpflege und Autor zahlreicher Fachaufsätze.
Wir zitieren aus einem Faltblatt zum Thema Kronenkappung:
„Die Folge von Kappungen
Mangelnde Versorgung
Nimmt man einem Baum den Großteil seiner Krone, dann nimmt man ihm auch die Möglichkeit, sich ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Man zerstört das natürliche Gleichgewicht zwischen
Wurzel und Krone und fügt dem Baum außerdem große Wunden zu. Als Folge entstehen an den Kappstellen Versorgungsschatten.
Fäule
In die großen Verletzungen dringen holzzersetzende Pilze ein und schädigen das Holz.
Instabile Krone
Ein gekappter Baum versucht, das Gleichgewicht zwischen Wurzel und Krone wieder herzustellen. Es entstehen Ständer (senkrecht nach oben wachsende Triebe), die instabil sind und in Konkurrenz zueinander stehen. Die immer größer werdenden Ständer können wegen ihres Gewichts und der immer weiter in die Kappstelle eindringenden Fäule herunterbrechen. Der Baum wird zur Gefahr!
Enorme Folgekosten
Kappungen bringen das natürliche Gleichgewicht des Baumes durcheinander. Dies verursacht sehr aufwändige Pflegemaßnahmen, die oft das Mehrfache der normalen Pflegekosten übersteigen.
(…)
Ästhetik
Ein Baum hat nach der Kappung seine arttypische Kronenform verloren. Er wird nie mehr die Schönheit eines natürlich gewachsenen Baumes erreichen.
Kappungen sind baumzerstörend
Nach geltenden Regelwerken können Kappungen nicht als Baumpflegemaßnahme bezeichnet werden.“
(Faltblatt: „Es ist nicht wahr, dass diese Bäume … keine Blätter mehr verlieren … oder sicherer sind!“. Peter Klug, Bad Boll 2011)
(Stichworte:)
Sicherungspflicht: selbstverständlich. Wg. Umstände, Art u. Ausmaß Vorgehen: nach unserer Ansicht Ausflüchte – im Nachhinein begründen, was nicht zu begründen ist.
Ausflüchte v. ausführender Abt. – nicht Landespfleger, war nicht beteiligt.
Kappungen Langstraße, Antoniterstr.: von Sicherungspflicht/Totholz keine Rede – reine Gefälligkeitsbeschlüsse.
(Detlev Neumann)