Neubauprojekt der Alzeyer Baugesellschaft nicht sozialgerecht

Alzey (neu) – 21.12. 2015 – Der Stadtrat hat in seiner letzten Sitzung in 2015 auch über den Wirtschaftsplan der Alzeyer Baugesellschaft mbH & Co KG (ABG) beraten. Die Grünen haben dem Wirtschaftsplan nicht zugestimmt. Grund ist das Neubauprojekt Nibelungenstraße / Gernotstraße. Hier sollen zwei noch vorhandene Wohnblocks von ehemals vier aus den 1950er Jahren abgerissen und durch zwei Neubauten ersetzt werden. In den alten Gebäuden mit einfachem Standard wohnten Mieter oft über viele Jahre, ja Jahrzehnte zu sehr günstigen Mieten. In den letzten Jahren wurden die Wohnungen allmählich „entmietet“, um die Neubauprojekte angehen zu können.

Für 29 Wohnungen, wie zuletzt geplant, einige davon barrierefrei, wäre ein Investitionsvolumen von über 6 Mio. EUR erforderlich. Nach Auffassung der Geschäftsführung der ABG wären höchstens 5 Mio. EUR finanzierbar. Wie viele Wohnungen mit welcher Wohnfläche damit gebaut werden könnte, ist noch unklar.

Aber auch dieser gedeckelte Betrag ist nach Überzeugung der Grünen nicht vertretbar. Für die sanierungsbedürftigen Wohnungen der ABG wurde durch ein Gutachten des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e. V. (vdw südwest) ein Investitionsbedarf von etwa 12 Mio. EUR geschätzt. In dem Quartier Gernotstraße / Nibelungenstraße / Ostdeutsche Straße wurde bereits für etwa 2 Mio. EUR ein gewerblich genutztes Gebäude für ein Wohnprojekt der Rheinhessen Fachklinik (RFK) errichtet. Mit den geplanten Neubauten würden dann nur an dieser Stelle mindestens 7 Mio EUR investiert.

Neben den zu hohen Kosten und Mieten kritisieren die Grünen auch, dass in der aktuellen Notlage möglicher Wohnraum für Flüchtlinge abgerissen werden soll. Immerhin habe man erreicht, das eines der Gebäude für diesen Bedarf erhalten bleibt.

Hier der Redebeitrag der Grünen:

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stadtratsfraktion Alzey
Ratssitzung am 30.11. 2015
TOP I /4.6 Alzeyer Baugesellschaft – Wirtschaftsplan 2016

Wir werden dem Wirtschaftsplan für 2016 nicht zustimmen.

Grund ist das geplante Neubauprojekt im Quartier Nibelungenstraße / Gernotstraße. Zwei Wohnblocks mit etwa 29 Wohnungen sollen hier entstehen. Die noch übrig gebliebenen zwei von vier „Flüchtlingsbauten“ – wie sie im Volksmund hießen – aus den 1950er Jahren mit 36 Wohnungen sollen abgerissen werden.
Wir sind nicht gegen Neubauten, nein. Aber die Konditionen müssen stimmen im Sinne von sozialem Wohnungsbau – und das tun sie nicht.

Für dieses Projekt wäre ein Investitionsvolumen von mindestens 5 Mio. EUR erforderlich. Wobei diese 5 Mio. schon gedeckelte Kosten für eine abgespeckte Variante sind. Die gerne gesehene Variante für die zwei neuen Wohnblocks mit 29 Wohnungen würde nochmal 1 Mio. EUR mehr kosten.
Und das sind alles ungefähre Zahlen; genaues weiß man nicht. Was für Entscheidungen halt nicht so das Gelbe vom Ei ist. Bei 5 Mio. EUR soll es erst mal bleiben. Was dafür gebaut werden kann, ist unklar.

Wir jedenfalls bewerten die Sachlage so, dass wir bei diesem Projekt im Nebel stochern und auch keinen Boden unter den Füßen haben.

Nichts genaues weiß man nicht. Klar ist nur: Es wird zu teuer. Das hat Folgen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ABG, selbst wenn aktuell die Zinsen gegen Null gehen. Das Projekt ist kein Perpetuum mobile, das sich frei schwebend und unabhängig wie von selbst finanziert. Schön wär’s, dann könnten wir Neubau nach Neubau hinstellen.
Hohe Baukosten haben auch Folgen für die Mieten. Die Mieten würden im Vergleich zu den bisherigen in den Wohnblocks in der Nibelungenstraße / Gernotstraße ganz übermäßig steigen.

Aufgabe der ABG ist es, für einkommensschwache Familien und Personen bezahlbaren Wohnraum vorzuhalten. Der Mittelstand und Besser-Verdiener finden auf dem privaten Wohnungsmarkt immer eine Bleibe. Einkommensschwache bleiben auf der Strecke. Da hilft auch nicht viel, wenn vielleicht ein Drittel der neuen Wohnungen zum Mietsatz der „Sozialhilfe“ angeboten würde.
Neubauten und Sanierungen müssen in einem Standard für sozialen Wohnungsbau durchgeführt werden, nicht im Standard für Mittel- oder Oberklasse-Immobilien. Zu welcher Kategorie Baukosten von etwa 2.500 EUR/qm Wohnfläche gehören, überlassen wir Ihrer geneigten Einschätzung.

Die Höhe der Investitionen wirft die Frage auf, ob dieses Projekt in der Dimension überhaupt vertretbar ist. Wir meinen: Nein.

2013 wurde durch die Studie zum Sanierungsbedarf bei der ABG ein Bedarf von etwa 12 Mio. EUR für das Herrichten der sanierungsbefürftigen Wohnungen geschätzt. 12 Mio. – damals herrschte tiefes Stirnerunzeln und ernstes Kopfschütteln: „Das schaffe mer nie – 12 Millione!“
Aber siehe da: Für das Wohnprojekt der RFK wurden etwa 2 Mio. EUR investiert, die geplanten zwei neuen Wohnblocks würden mit 5 Mio. EUR – oder mehr – zu Buche schlagen. Das wären mindestens 7 Mio. EUR nur in diesem Gebiet.
Was ist mit dem Sanierungsbedarf der übrigen Wohnungen? Wäre das noch zu finanzieren? Oder noch mehr Wohnungen verkaufe; ersatzlos abreißen? Den preiswerten öffentlichen Wohnungsbestand weiter verringern für ein teures Prestigeobjekt? Das ist für uns nicht vertretbar.

Ach noch was: Was haben wir im Aufsichtsrat rumgezackert, dass die Wohnungen in der Notsituation des Flüchlingszustroms noch nicht abgerissen werden sondern erst mal für Flüchtlinge vorgehalten werden. Erreicht haben wir immerhin, dass das Gebäude Gernotstraße für diesen Bedarf erhalten bleibt. Das Gebäude Nibelungenstraße soll aber demnächst abgerissen werden. In der gegenwärtigen Lage ist das nicht vertretbar.

Es gäbe noch einiges zu sagen. Wir wollen es dabei aber erst mal belassen.

Wir bitten um getrennte Abstimmung zu Nr. 4 der Beschlussvorlage – Wirtschaftsplan.