Wiederkehrende Beiträge – Mehr „Gerechtigkeit“ möglich, aber der Teufel steckt im Detail

Alzey (neu) – 22.02. 2016 – Der Stadtrat hat einstimmig einen Grundsatzbeschluss gefasst, dass ab 2017 das System der Straßenausbaubeiträge von Einmalbeiträgen auf wiederkehrende Beiträge umgestellt wird. Beim Einmalbeitrag werden die Grundstückseigentümer einer Straße bei Erneuerungen, Erweiterungen, Umbau, Verbesserungen der Verkehrsanlagen zu Ausbaubeiträgen herangezogen. Solche Ausbauten finden in großen Zeitabständen statt, doch werden die Anlieger dann durch oft vier- bis fünfstellige Beträge belastet.

Bei wiederkehrenden Beiträgen wird das gesamte Gemeindegebiet in eine oder mehrere Abrechnungseinheiten aufgeteilt. Für jede Einheit werden bei Ausbaumaßnahmen in einer Straße in diesem Gebiet alle Eigentümer dieser Abrechnungseinheit beitragspflichtig. Die Investitionssumme wird meist jährlich auf alle Eigentümer umgelegt, so dass regelmäßig kleinere Beträge in Größenordnungen von maximal wenigen hundert EUR pro Jahr anfallen.

Die Grundlagen und die Parameter für diese Umstellung werden im Laufe des Jahres durch die Verwaltung und einen externen Berater ermittelt. Es handelt sich um ein rechtlich kompliziertes Verfahren, das nicht zuletzt von den Ratsmitgliedern eine genaue Prüfung der Vorschläge erfordert, die die Verwaltung dazu machen wird.

Hier der Redebeitrag der GRÜNEN:

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stadtratsfraktion Alzey

Ratssitzung am 22.02. 2016

TOP I / 1 Grundsatzbeschluss für die Einführung des wiederkehrenden Ausbaubeitrages

Der Bürgermeister hat einige unserer Anmerkungen schon angesprochen.

Die Umstellung der Straßenausbaubeiträge von einmaligen auf wiederkehrende Beiträge ist ein Systemwechsel beim Veranlagungsverfahren. Das könnte zwar von Rechts wegen auch wieder rückgängig gemacht werden, hätte aber fast schon so etwas wie Ewigkeitswirkung. Deshalb ist eine solche Umstellung gründlich zu prüfen, vorzubereiten und zu diskutieren. Wir stehen gerade erst mal am Anfang. Dass die Gremien im Vorfeld überhaupt erst über die Entwicklung bei der Prüfung der Grundlagen informiert werden, geht auf unsere Forderung im Ausschuss Zentrale Dienste und Finanzen zurück. Das war zunächst gar nicht vorgesehen.

Die Beschlussvorlage nennt einige Vor- und Nachteile des Systems der WB.

Vorteile: Die WB können einige gewichtige Vorteile für die Beitragspflichtigen bieten: Geringere regelmäßige Belastungen statt einmaliger oft sehr hoher Belastungen in womöglich vier oder fünfstelliger Höhe in größeren Zeitabständen.

Die Argumente der Stetigkeit und – in Anführungszeichen! – höheren „Gerechtigkeit“ sind für uns die entscheidenden. Es kann eine höhere „Beitragsgerechtigkeit“ erzielt werden, wenn regelmäßig alle Beitragspflichtigen gleichermaßen erhobene Ausbaubeiträgen zu leisten haben.

Wichtige Ziele für uns sind also: größere „Gerechtigkeit“, allgemeine Belastung gering halten, Transparenz und demokratische Kontrolle, Beteiligung der Öffentlichkeit.

Bei der Vorbereitung auf die letzten Sitzungen zu diesem Thema konnten wurde kein umfassendes Informationsmaterial vorgelegt, mit dem wir hätten arbeiten können. Die Präsentation von 10 Folien in der letzten Ratssitzung hat wirklich nur einen Ansatz von Information geliefert. Wir haben dann begonnen selbst dazu zu recherchieren.

Und wir haben wieder einmal festgestellt: Der Teufel steckt im Detail; nicht zuletzt im juristischen.

Da sind zum einen die Abrechnungseinheiten. Das kann laut Gesetz das gesamte Gemeindegebiet sein, können aber auch Teile davon sein. Aus Gründen der „Gerechtigkeit“ müsste die größtmögliche Abrechnungseinheit mit sämtlichen zum Ausbau bestimmten Verkehrsanlagen festgelegt werden (Beispiel Frankenthal mit vier Vororten hat das gesamte Stadtgebiet festgelegt).

Wie soll das für Alzey aussehen? Das ist zu prüfen, zu diskutieren und zu entscheiden – und zwar in den Gremien.

Da ist zweitens der Gemeindeanteil. „Er muss dem Verkehrsaufkommen entsprechen, das nicht den Beitragsschuldnern zuzurechnen ist, und beträgt mindestens 20 vom Hundert.“ (§ 10a Abs. 3 KAG)

Je nach Höhe des Gemeindeanteils kann das mit der „Gerechtigkeit“ schon wieder ganz anders aussehen! Frankenthal hat 35% festgesetzt.

Wie soll das für Alzey geregelt werden? Das ist zu prüfen, zu diskutieren und zu entscheiden – und zwar in den Gremien.

Das Verteilen der Lasten auf viele Schultern könnte aber auch Begehrlichkeiten wecken, die Beschlussvorlage weist darauf hin.

Wenn alle zahlen, könnte man beim Ausbau an der einen oder anderen Stelle ja mal etwas großzügiger planen – „Das tut ja dann nicht mehr sooo weh.“

Es könnte ja sein, dass a) Anlieger für ihr Gebiet Sonderwünsche haben, welche die andern mitbezahlen; es könnten Maßnahmen großzügig geplant werden, um b) ein kleines Konjunkturprogramm umzusetzen oder c) durch schicke Straßenerneuerungen in dem einen oder anderen Gebiet den Zuzug von Neubürgern zu akquirieren : „Da muss man ja was bieten!“. Nein: Luxus auf Kosten aller darf es nicht geben.

Das sind jetzt selbstverständlich erst mal nur Mutmaßungen, aber nicht von der Hand zu weisen.

Es ist also sicherstellen, dass nur das Notwendige gemacht wird. Dazu müssen Werkzeuge und geregelte Verfahren der Kontrolle durch die Gremien eingesetzt werden, die noch nicht vorliegen.

Wie soll das für Alzey aussehen? Das ist zu prüfen, zu diskutieren und zu entscheiden – und zwar in den Gremien.

Bei Erneuerungen, Erweiterungen, Umbau, Verbesserungen der Verkehrsanlagen stellt sich die Frage der Beurteilung des Zustandes:

Nach welchen Kriterien werden Straßenzustand und der Investitionsbedarf beurteilt?

Kein alleiniges Kriterium kann z.B. nur die theoretische durchschnittliche Lebensdauer sein; der tatsächliche Zustand ist maßgeblich. Ausbaumaßnahmen nur, wenn notwendig.

Wie soll das für Alzey aussehen? Das ist zu prüfen, zu diskutieren und zu entscheiden – und zwar in den Gremien.

Weitere Fragen stellen sich, die wir jetzt nur anreißen:

– Welche Beitragshöhe ist zu erwarten? Auch wenn diese nach Investitionsvolumen schwanken, wären einige realistische Beispiele nicht zuletzt für die Öffentlichkeit angebracht.

– Wird sichergestellt, dass auch in großen Abrechnungseinheiten die Anlieger an den Planungen beteiligt werden?

– Wie soll die langfristige Planung von Maßnahmen in den Gremien durchgeführt werden?

– Welche Kosten entstehen durch die externe Beratung?

– Wie soll die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Vorbereitung dieses neuen Systems aussehen?

Zum Abschluss:

Die Vorschläge der Verwaltung für die entscheidenden Parameter sind in einzelnen Schritten frühzeitig vorzulegen und werden ohne Zeitdruck beraten und entschieden.

Wir stimmen dem Grundsatzbeschluss zu, geben aber keinen Blankoscheck und kaufen die Katze nicht im Sack. Wie gesagt: Der Teufel steckt im Detail.

Falls die Parameter dann doch nicht stimmen sollten, werden wir unsere heutige Zustimmung ggf. widerrufen.

Und nochmal:

Wichtige Ziele für uns sind: größere „Gerechtigkeit“, allgemeine Belastung gering halten, Transparenz und demokratische Kontrolle, Beteiligung der Öffentlichkeit.

(Detlev Neumann)